Rosa oder Hellblau? – Mädchen oder Junge?

Rosa oder Hellblau? – Mädchen oder Junge?

Haben Sie die folgende Situation auch schon erlebt? Sie möchten ein Geschenk kaufen und fragen die Verkaufsperson nach Tipps. Gleich kommt von ihr die Frage, ob das Geschenk für ein Mädchen oder einen Jungen gedacht sei. Man nennt dies „Gendermarketing“. Schon für die Knirpse wird das „passende“ Spielzeug getrennt. Und was noch schlimmer ist: Der Unterschied ist nicht nur bei den Spielwaren der Fall. Er zieht sich wie ein roter Faden ins Erwachsenenleben weiter.

Bereits die Verpackung verrät, ob ein Angebot für die Frau oder den Mann gedacht ist. Marketingfachleute gehen grundsätzlich davon aus, dass die Konsumwünsche von Männern und Frauen verschieden sind. Unterschiedlich seien auch die Kaufentscheide für die Produkte. Man nimmt an, dass den Männern schnelles und gezieltes Einkaufen wichtig ist, während Frauen die Ware testen, betasten, beschnuppern und bewerten, bevor sie kaufen. Männern wird mehr technisches Verständnis attestiert, während die Frauen eher einfache Anwendungen lieben.

Marketingkonzept aus den USA

Das Konzept, die Produkte in männliche und weibliche zu trennen, ist in den USA bereits seit den 1990er-Jahren bekannt. In Deutschland wurde die rosa-hellblaue Abgrenzung vor rund zehn Jahren eingeführt und in der Schweiz einige Monate später. Sie wird nun in allen Bereichen angewandt. Kleine Mädchen und Jungen lernen spätestens im Kindergarten, womit ein richtiges Mädchen oder ein waschechter Junge spielt.

Die Kinder wünschen sich übrigens normalerweise genau das, was von ihnen erwartet wird – ein roter Faden, der sich bis ins Erwachsenenalter weiterzieht. Ob Zahnbürsten, Laptops, Kaffeetassen oder Akkubohrer, das auffälligste Unterscheidungsmerkmal ist die Farbe Rosa. Sie wird als Kennzeichen für die weibliche Zielgruppe derart überbetont, dass ein Überschreiten der Farbgrenze für viele undenkbar ist. Es gibt sogar Hersteller, denen die farbliche Unterscheidung noch nicht reicht. Sie drucken Aufschriften wie „Extra für Mädchen“ oder „Boys only“ auf die Produkte.

Studien kamen zum Schluss, dass man merkt, dass die Kinder ziemlich schnell verinnerlichen, dass das rosa Pünktchen auf den Überraschungseiern für die Mädchen ist. Ein „richtiger Junge“ wird niemals ein rosa Ei kommentarlos essen. Er wird sich wehren, dass das ein Mädchen-Ei ist. Versuche, die Mädchen oder Jungs umzupolen scheiterten kläglich.

Die einstige Farbe der Frauenbewegung

Dabei war die Farbe Rosa noch bis vor 100 Jahren für kleine Jungs gedacht. Zusammen mit Rot und Purpur, was ursprünglich die Farben der Könige und Herrscher sind, ist es im Marketing zur Mädchenfarbe geworden. Rosa ist seitdem für Jungs ein Tabu und kaum je werden Eltern das pinke Fahrrad der grossen Schwester an den kleinen Bruder weitergeben.

Gendermarketing rechnet sich zumindest für die Hersteller. Wie klischeehaft diese Art der Zuordnung ist und dass dadurch Unterschiede verfestigt und bei Kindern sogar neu geschaffen werden, bestreiten Marketingleute vehement. Dabei hat die Zweiteilung der Warenwelt ein stark reduziertes Angebot zur Folge.

Es sei fast unmöglich für Mädchen solide, wetterfeste, leicht an- und ausziehbare Schuhe zu finden, ohne irgendwelchen Schnickschnack daran. Auch neutrale Kleidung gibt es nur bedingt. Für Mädchen gibt es fast nur Kleidung mit Prinzessinnen oder Glitter und Glimmer. In der Spielzeugabteilung sieht es genauso aus. Es sei zwar nicht vollkommen ausgeschlossen, doch sehr viel zeitintensiver, alternative Dinge zu kaufen. Und weil viele Eltern wenig Zeit haben und darum genderbedingt einkaufen, dreht sich der ständige Teufelskreis, denn das Angebot richtet sich selbstverständlich nach der Nachfrage.

Spielzeug muss Spielzeug sein für alle

Mit der geschlechtlichen Zuordnung von Produkten geht immer auch eine Zuordnung von Eigenschaften, Interessen und Fähigkeiten einher. “Pink stinks” setzt sich seit Jahren dagegen ein. Der Hamburger Verein will erreichen, dass Mädchen nicht auf Rosa, Schönheit und Pflege reduziert werden. Schliesslich war Rosa auch mal eine Farbe des feministischen Widerstands. Heute gilt sie für niedlich, Puppen, Prinzessinnen und Mädchen.

Auch die Initiative „Let Toys be Toys“ fordert, dass Spielsachen einfach Spielsachen für Mädchen und Jungs sind. Man hat die Weihnachtsgeschäfte analysiert und herausgefunden, mit welch unterschiedlichen, oft gegensätzlichen Begriffen, Produkte für Mädchen und Jungen beworben werden. Der Trend zu Pink und Glitzer gegenüber Schwarz oder Orange hält sich in den Kinderabteilungen weiterhin.

Jungen, die sich für Puppenhäuser interessieren, Mädchen, die gern experimentieren, ohne dass dies mit Feen oder Schminke verbunden ist, gibt es in den Berechnungen der Marketingleute nicht – selbst wenn im Kleinen beginnen müsste, was die Politik und Wirtschaft längst im Schilde führen will: Mehr Mädchen für mathematisch-technische Berufe zu begeistern und mehr Jungen in den Pflegebereich zu bringen.

Buchtipp zum Thema:

Die Rosa-Hellblau-Falle. Für eine Kindheit ohne Rollenklischees
Almut Scherring und Sascha Verlan
Kunstmann Verlag 2014

2 thoughts on “Rosa oder Hellblau? – Mädchen oder Junge?

  1. Farbenlehre: Rosa – Das Klischee umarmen

    Rosa stand einst für männlich. Denn bis in die 1920er Jahre wurden frisch geborene Buben in Rosarot gehüllt –
    das kleine Rot; Rot als die Farbe für Leidenschaft, Blut, aktivem Eros und Kampf. Blau die Farbe Marias in der christlichen Tradition war die Farbe für die Mädchen. Nach dem ersten Weltkrieg wurde das Blau zum Symbol für
    die Arbeits- und Männerwelt. Blau waren der Blaumann, das „Übergwändli“, der Arbeiter, und die Marineuniform, in die Buben in Form von Matrosenanzügen gesteckt wurden. Rosa als Farbton ist heute im Sinn von „optimistisch, erfreulich, positiv“ konnotiert: die „rosigen Zeiten“, die „rosarote Brille“ oder auch:„Dem gehts nicht rosig.“
    In seiner Übertreibung verkehrt sich das Positive sodann in sein Gegenteil: Rosa steht dann für unrealistisch, verklärend, die Zukunft (zu) rosig, die Welt (nur) rosarot zusehen. Dass Klischee, dass Rosa und deshalb auch Frauen unrealistisch, süsslich, schwach und weltfremd seinen, wollen wir von Herzen umarmen.

    P.S. Rosa heisst in der hindischen Sprache Gulabi. Die Gulabi Gang ist ein Zusammenschluss von Frauen in Nordindien, die sich für Frauenrechte und gegen soziale Ungerechtigkeit einsetzen. Die Frauen der Gulabi Gang tragen rosa Saris und rosa Schlagstöcke aus Bambus. Sie wehren sich gegen Gewalt von Ehemännern und gegen Übergriffe von Polizisten und anderen Männern. «Wir sind nicht gewalttätig und setzen unsere Stöcke erst dann ein, wenn unsere Selbstachtung mit Füssen getreten wird», sagt Sampat Pal Devi, die Gründerin der mehrere Tausend Frauen starken Gruppe.

  2. Avatar
    Monika Lehmann

    Auf den Punkt getroffen!!! es ist mittlerweile ein sehr zeitintensives Einkaufen, wenn frau keine rosaroten Glimmer Prinzessinnen Kleider und Spielsachen will ,für ihre Tochter! Auch die bald unerträglichen Rollenklischees sind immer intensiver…. Mädchen und Frauen in diesen Topf und Jungs und Männer in diese Ecke. In meinen Augen gar keine gute Entwicklung! 🙁


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