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Auf der Suche nach dem eigenen Weg – Buchtipp

Auf der Suche nach dem eigenen Weg – Buchtipp

Erst 25-jährig, könnte die künftige Co-Kuratorin des Lyrikforums Babelsprech, Michelle Steinbeck, bald noch mehr für die junge Literatur bewirken. Kürzlich hat sie ihren ersten Roman veröffentlicht, mit dem vielversprechenden Titel: “Mein Vater war ein Mann an Land und ist im Wasser ein Walfisch.”

Die Geschichte dreht sich um phantastische Reise der Loribeth und beginnt als Flucht mit einem Koffer und einem toten Kind darin. Die Probleme würden sich lösen, könnte sie den Koffer zum Vater bringen. Loribeth durchquert Städte, Wüsten, Meere… Sie ist hungrig und alleine, verliebt sich in junge Wesen, macht unerwartete Begegnungen und wird immer wieder gezwungen weiterzuziehen. Die Magie wird real, doch das Leben im Kreis der neuen Freunde wird öde. «Soll es das schon gewesen sein?», fragt sich Loribeth immer wieder.

Michelle Steinbeck schwärmt vom russischen Autoren Daniil Charms, der 1942 starb. Dieser hatte einen befreundeten Literaturwissenschaftler dazu ermutigt, selbst auch literarisch zu wirken. Gern zitiert sie Charms: «Es gibt die Büchersammler, das sind Bibliophile; es gibt Geldsammler, das sind die Reichen und es gibt Sammler eigener Werke, das sind schreibwütige Dilettanten und Genies.» Eine Offenbarung sei Daniil für sie und ohne diesen würde sie wohl nicht da stehen, wo sie nun sei.

Viel Verbindendes mit Charms

Auch Daniil Charms hat den ersten Roman in jungen Jahren geschrieben. Das ist ein weiteres Detail, das Steinbeck und Charms verbindet – natürlich nebst den natürlichen Charmes, der beiden Schreibenden  zugeschrieben wurde und wird. «Mein Vater war an Land ein Mann und im Wasser ein Walfisch» wurde von Danill Charms geistig mitgeprägt, liess sich Michelle Steinbeck doch von einem Prosa-Stück des Autors inspirieren. Darin findet ein Mann eine tote Alte in seinem Zimmer, die er in einen Koffer verpackt, sich damit in den Zug setzt – und die Leserschaft in seiner Beschreibung aus der Fassung bringt.

Aus der alten Frau wurde in Steinbecks Geschichte ein Kind, bald eine junge Frau, die nach ihrem Vater und einem passenden Lebensentwurf für sie sucht. Textlich ist dabei alles möglich, bis zur Absurdität, Nicht-Logik und blühenden Fantasie. Die Reise indessen wird begleitet von brachialer Gewalt, wie selbstverständlich im Text beschrieben. Steinbeck, die Philosophie und Soziologie studiert, gibt In der Roten Fabrik in Zürich die Kulturzeitung heraus. Im Zentrum der 1980er-Revolte bekam die Tochter zweier Lehrer schon früh grosse Dosen an Kultur eingeflösst. Bei der Grossmutter in der Nähe von Aarau füllte sie die Langeweile mit Geschichten.

Für grenzenloses Babbeln

Kommt die Finanzierung zustande, will Steinbeck mit der Basler Autorin Simone Lappert die Schweizer Sektion des länderübergreifenden Forums Babelsprech für junge Lyriker leiten. Bislang hatte der Berner Autor Michael Fehr diese betreut, der als fester Autor am Luzerner Theater wirkt. Das künftige Leitungsteam möchte das Forum zu einem Erfolgsmodell für eine am Rand stehende Literaturgattung machen und damit Grenzen sprengen, auch über die Schweiz hinaus. Steinbeck will besonders auch dem einen und anderen Talent zu mehr Publizität verhelfen.

Michelle Steinbecks Debüt ist eine virtuose Entwicklungsgeschichte. In einer sinnlichen Sprache erzählt sie die Abenteuer einer jungen Frau, deren Ängste vor dem Erwachsenwerden buchstäblich lebendig geworden sind. Die symbolisch-traumhaften Bilder überraschen mit einem klugen Blick auf ein zeitloses Thema.

Michelle Steinbeck, geboren 1990 in Lenzburg, studierte Literarisches Schreiben in Biel und lebt in Basel und Zürich. Sie ist Redaktorin der Fabrikzeitung Veranstalterin und Mitglied von Babelsprech, junge deutschsprachige Lyrik. Sie veröffentlicht Prosa, Lyrik und Szenen in Sammelbänden, Heften, Rundfunk und auf Theaterbühnen.

Mein Vater war an Land ein Mann und im Wasser ein Walfisch
Michelle Steinbeck
Lenos Verlag, Basel
ISBN 978 3 85787 469 7 gebunden
ISBN 978 3 85787 947 0 E-Book

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