• Home
  • /Arbeit
  • /Barbara Hosking: «Ich könnte meine Memoiren nicht schreiben, ohne zu erwähnen, dass ich mein Leben lang lesbisch war»
Barbara Hosking: «Ich könnte meine Memoiren nicht schreiben, ohne zu erwähnen, dass ich mein Leben lang lesbisch war»

Barbara Hosking: «Ich könnte meine Memoiren nicht schreiben, ohne zu erwähnen, dass ich mein Leben lang lesbisch war»

Gerade 21-jährig geworden, zog Barbara Hosking von Cornwall, wo sie 1926 geboren worden war, nach London, um Journalistin zu werden. Sie arbeitete erst im Pressebüro der «Labor Party» und wurde schliesslich Mediensprecherin von Harold Wilson und war später in gleicher Funktion für dessen langjährigen Konkurrenten Edward Heath im Einsatz. Drei Jahre verbrachte sie auch in Ostafrika, zuerst für eine Mine tätig, danach für «Westcountry Television».

Mit nun 91 Jahre brachte die heute noch aktive Seniorin ihre Memoiren auf Papier: Exceeding My Brief: Memoirs of a Disobedient Civil Servant. Sie, die vor zehn Jahren all ihre Tagebücher weggeworfen hatte, weil sie nicht wollte, dass jemand Fremdes über ihr Leben schreibt, staunte während des Schreibaktes darüber, wie viel ihr in Erinnerung geblieben war. Nur die Schreibweise gewisser Namen, seien ihr nicht immer gleich geläufig gewesen, wie auch einige genaue Datierungen.

Ihre Aufzeichnungen seien deshalb eine Reihe von Anekdoten und vielleicht auch eine Beschreibung des sozialen Lebens im Laufe des 20. Jahrhunderts. «Ironischerweise war mir der Schutz meines Privatlebens wichtig, doch um ehrlich zu sein, konnte ich trotzdem nicht über mein Leben schreiben, ohne zu erwähnen, dass ich mein Leben lang lesbisch war», sagt die Frau, die ihr berufliches Leben hauptsächlich in einer Männerdomäne verbrachte.

Sie habe zuerst gar nicht so richtig realisiert, dass sie sich mit ihrem Schreiben geoutet habe, sagt die 91-jährige ehemalige Regierungsbeamtin. Vorstandsmitglieder des “Reform Club”, in dem sie Mitglied sei, hätten sie aber angefragt, während der «Gay Week» zu sprechen. Dabei sei ihr klar geworden, dass mit dem Buch ihr «Coming Out» gehabt habe. Es gab also kein Zurück mehr. Wenige Menschen seien übrigens überrascht gewesen und Probleme hätte niemand damit gehabt.

Sie habe als junge Frau Druck gespürt, mit niemandem über ihre sexuelle Orientierung sprechen zu können. Doch 1946, nach dem Umzug nach London, sei sie von ihren Vermieterinnen in den «Gay Club Getaway» in Chelsea mitgenommen worden. «Du bist doch ‘queer’ habe eine auf der Hinfahrt nebenbei zu ihr gesagt und sie habe dies bestätigt, obwohl sie sich dachte, was diese Frage wohl bedeute.

Barbara Hosking wurde immer wieder als Kandidatin für höchste Regierungsämter angefragt, doch verzichtete sie darauf, besonders auch als sie Ratsmitglied in Islington hätte werden können. «Es wäre nichts für mich gewesen», sagt die Seniorin und fügt an: «Manchmal muss man seine Prinzipien haben». Und Kompromisse waren nun gar nicht Barbara Hoskings Ding. Sie habe sich nicht im Graubereich bewegen mögen, «doch im Unterhaus hätte ich gerne einmal eine Rede gehalten».

Der Wechsel als Mediensprecherin von Harold Wilson zu Ted Heath sei gross gewesen, doch für Ted hatte die Medienfrau grosse Sympathie und deshalb habe sie auch viel Zeit mit ihm verbracht. Ihre Sorge für ihn ging gar so weit, dass sie ihm einmal vorschlug, sich eine neue Strickjacke mit Schulterpolstern zu kaufen und nicht mit der immergleichen alten aufzutreten. Bei Hoskings erstem Arbeitsplatz in einer Kinokette in Soho gab es zwar männliche und weibliche Angestellte, wobei die männlichen kamen und gingen, wie es ihnen gefiel und die Frauen sich brav an- und abmeldeten, wie es für alle Vorschrift gewesen war. Die fünf Männer im Zivilservice hätten sich erst echauffiert, sich mit der Zeit aber an ihre Anwesenheit gewöhnt. Es sei zwar inzwischen viel in Richtung Gleichstellung geschehen, doch einige Männer würden auch heute noch, denselben Lohn für gleiche Arbeit bekämpfen.

Die langjährige Regierungsbeamtin beschäftigt sich auch in hohem Alter mit aktuellen Themen, zum Beispiel mit dem Bekanntwerden sexueller Übergriffe in den letzten Monaten. Es sei schwierig, sich zu wehren, wenn ein Vorgesetzter sich nicht korrekt benehme, was aber nicht heisse, dass man sich alles gefallen lassen soll. Im Falle eines Mitarbeitenden müsse sofort gehandelt werden. Es komme zudem darauf an, ob sich ein Mann nur einen Blick auf den Hintern und einige dumme Bemerkungen leiste, oder ob er einen Vollangriff starte. Hoskings beschäftigt sich aber auch mit Themen wie dem Brexit.

Als Geheimnis ihrer jungen Erscheinung nennt Barbara Hoskings ihre mediterrane Ernährung. Sie esse viel Fleisch, liebe Oliven und Salat. Sie schlafe acht Stunden, nehme gern mal einen Drink und habe bis 50 geraucht. Ist die Staatsbeamtin wirklich so ungehorsam gewesen, wie es in ihrem Buchtitel steht? Jemand habe mal zu ihr gesagt: «Wann wirst du endlich zu gehorchen lernen?» Gesetze könnten aber auch interpretiert werden, habe sie geantwortet. Dies sei ihre lebenslange Philosophie.

Bild The Guardian: Barbara Hosking wirkt auch mit 91 Jahren noch jugendlich und frisch.

Im Gegensatz zu jenen grossen Männern, für die Barbara Hosking als rechte Hand amtete, sind von ihr keine Details unter Google, Wikipedia und Co. zu finden. Gerade dies ist mit  ein Grund, weshalb die Macherin, die sich selber als “ungehorsam” beschreibt und sich mit 91 Jahren als lesbisch outet, ihr Leben gleich selbst aufgezeichnet hat.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*