Pforte im Frauenmuseum – N°6 GEH BIS AN DEINER SEHNSUCHT RAND

Pforte im Frauenmuseum – N°6 GEH BIS AN DEINER SEHNSUCHT RAND

Datum/Zeit
25. November 2017
17:00 - 20:00

Veranstaltungsort
Frauenmuseum
Platz 501, Hittisau

Kategorien


Samstag, 25. November 2017 | 17 Uhr
Geh bis an deiner Sehnsucht Rand

Berit Cardas Violine
Miriam Helms Ålien Violine
Klaus Christa Viola
Björg Vaernes Lewis Violoncello
Mit Texten von Günter Funke, Meister Eckhart und Rainer M.Rilke

Simon Frick (*1983)
Neues Werk für Streichtrio und Rezitation (UA)

Johann Sebastian Bach (1685–1750)
Cello Suite No. 6 in D-Dur
BWV 1012, für Viola bearbeitet
Prélude
Allemande
Courante
Sarabande
Gavotte
Gigue

Michael Amann (*1964)
Neues Werk für Streichtrio und Rezitation (UA)

PAUSE

Beethoven (1770–1827)
Streichquartett op. 59/2
Allegro
Molto Adagio. Si tratta questo pezzo con molto di sentimento
Allegretto-Maggiore. Thème russe
Finale: Presto

memoriam
Günter Funke
Alle, die die wenigen Begegnungen mit Günter Funke bei Musik in der Pforte erleben durften, konnten beglückt teilhaben an der Gedankentiefe dieses großen Lehrers. Wenn ich seinen Vorträgen lauschte, hatte ich manchmal den Gedanken: So muss es wohl gewesen sein, als sich die Propheten der Schriften vor die Menge stellten und tiefe Wahrheiten mit ihren Hörern teilten. Funke, einer der letzten Schüler von Viktor Frankl, war ein begnadeter Redner: begnadet nicht, weil er ein brillanter Rhetoriker war (das war er auch), sondern begnadet, weil die Gedanken, die er aussprach, eine magische Kraft hatten – die Kraft, dem Zuhörer einen lebensbejahenden Zugang zum eigenen Schicksal zu ermöglichen. Seine Worte hatten die Macht, uns mit unserem Leben in seiner Unvollkommenheit zu versöhnen, sie machten Lust, zu unserem Eigenen zu stehen und in uns statt um uns nach Lösungen zu suchen. Ich hatte das große Glück, kurz vor seinem Tod noch einige Gespräche mit Günter Funke zu führen. Obwohl er schon sehr geschwächt war, haben wir uns gemeinsam noch auf ein paar kostbare Rilke-Gedichte eingelassen. Den letzten Nachmittag, den wir auf diese Weise miteinander verbracht haben, trage ich wie einen kostbaren Schatz in meinem Herzen: Er, seine Frau Andrea und ich saßen in der kleinen Ferienwohnung in Netzeband, seinem geliebten Refugium auf dem Lande, es war ein schwüler, stiller, bewölkter Juli-Nachmittag. Wir wussten, dass nur noch sehr wenig Zeit war, umso kostbarer war der stille Friede, der diesen Nachmittag umwehte. Wir durchschritten gemeinsam folgendes Rilke-Gedicht:

Gott spricht zu jedem nur, eh er ihn macht,
dann geht er schweigend mit ihm aus der Nacht.
Aber die Worte, eh jeder beginnt,
diese wolkigen Worte sind:

Von deinen Sinnen hinausgesandt,
geh bis an deiner Sehnsucht Rand;
gib mir Gewand.
Hinter den Dingen wachse als Brand,
dass ihre Schatten, ausgespannt,
immer mich ganz bedecken.

Lass dir Alles geschehn: Schönheit und Schrecken.
Man muss nur gehn: Kein Gefühl ist das fernste.
Lass dich von mir nicht trennen.
Nah ist das Land,
das sie das Leben nennen.

Du wirst es erkennen
an seinem Ernste.

Gib mir die Hand.

Rainer Maria Rilke

Günter war noch ganz anwesend, still und gesammelt saß er auf der Couch. Wir alle waren ergriffen und berührt von Rilkes Worten: Lass dir Alles geschehn: Schönheit und Schrecken. Man muss nur gehn: Kein Gefühl ist das fernste. Lass dich von mir nicht trennen. Nah ist das Land, das sie Leben nennen. Diese Zeilen fassen zusammen, was Günter Funke über Jahrzehnte leidenschaftlich an seine zahlreichen Vortrags- und Seminarhörer weitergeben konnte: dieses Ja zu unserem Leben, wie es wirklich ist, dieses Ja zu den unaufgelösten Fragen in uns und um uns. Er konnte seinen Schülern das Gefühl vermitteln, dass sie die Kompetenz besaßen, ihr eigenes Leben zu erforschen und auf die Kraft und die Schönheit ihres Eigenen zu vertrauen. Was für ein Geschenk hat er auf diese Weise so vielen gemacht: Dem eigenen Fühlen und Denken Vertrauen zu schenken, dieses Eigene zu würdigen und wertschätzend und neugierig zu erforschen, das hat er so viele gelehrt. Kein Gefühl ist das fernste – Kaum jemand wusste das so klar und so tröstend wie Günter Funke. Unvergesslich sind uns seine Worte bei dem Beethoven-Projekt „Zorn und Zärtlichkeit“, als er das kostbare Geschenk, das unsere Wut sein kann, greifbar werden ließ. Einen Gedanken aus dem Rilke-Gedicht, den wir an diesem stillen Nachmittag auch noch gemeinsam zustimmend teilten, möchte ich an den Schluss meiner Ausführungen stellen: 

Von deinen Sinnen hinausgesandt,
geh bis an deiner Sehnsucht Rand;
gib mir Gewand

Wenn wir unseren Sinnen nicht ganz trauen, dann bleiben wir oft kurz vor dem Rand unserer Sehnsucht stehen, ratlos und ängstlich. Nur wenn wir wirklich unseren ganzen Mut zusammennehmen und uns an den Rand unserer Sehnsucht wagen, dann kann das Leben kommen und uns verwandeln, „uns Gewand geben“. Rilke verrät uns dieses magische Geheimnis, wie wir in den Wurzeln des Lebens Heimat finden können: Wir müssen immer und immer wieder diesen Mut aufbringen, uns auf die Weisheit des Lebens zu verlassen, was immer heißt, dass wir auch dort, wo wir nicht alles zu Ende planen können (und wir können nie alles zu Ende planen, Gott sei Dank), mit offenem Herzen auf unser Leben zugehen, im Vertrauen, dass uns die Antworten zuwachsen. In diesen letzten Gesprächen hat Günter Funke dieses Geheimnis seines Schaffens offen preisgegeben: Er ist nie mit einem vorgefertigten Vortrag, mit einem vorbereiteten Statement unter die Menschen gegangen. Er hat aus dem Vollen geschöpft, weil sein ganzes Leben eine Vorbereitung auf die Situationen war, in denen er lehrte. Er hat sich immer „radikal“ (im Sinne von tief verwurzelt) auf das eingelassen, was „das Leben fragte“ (wie Frankl das so unvergleichlich ausdrückte). Er konnte sich vertrauend auf die Worte einlassen, die ihm das Leben in diesen Situationen zuflüsterte, und aus diesem seinen „im Augenblick sein“ ist für so viele Menschen ein so großer Segen entstanden. Seine letzten Worte an mich, trage ich seit diesem unvergesslichen Juli-Nachmittag immer bei mir und oft kommen sie mir in den Sinn: Am Ende ist alles ganz einfach.
Klaus Christa

Beethoven und die Zornseite des Lebens
Wenn sich so jemand wie Beethoven der Zornseite des Lebens nähert, dann kann ich mich mit meinen Gefühlen, auch mit meinen Zorngefühlen ihm anvertrauen und ich weiß mich da gut aufgehoben. Das heißt, ich kann mich in diese Musik hineinbegeben, ich muss nichts von mir wegnehmen oder verdrängen, weil ich weiß, dass er mich durchführt. Das ist ein Akt von Vertrauen, vielleicht sogar Geborgenheit gerade in dem, was nicht so harmonisch ist. Die Harmonie, das Schöne und Zärtliche hinterlassen langfristig viel mehr ein Unbehagen, weil man damit rechnen muss, dass man wieder herausfällt. Und wo fällt man dann hin? Wenn man sich im Zorn geborgen fühlt, dann kann man nicht mehr aus der Welt fallen. Ich glaube sogar, dass der Zorn die beste Quelle für Zärtlichkeit ist. Was ich natürlich nicht meine, ist der Jähzorn. An keiner Stelle bricht Jähzorn aus in dieser Musik. Dafür ist Beethoven halt Künstler: Es ist kein künstlicher Zorn, aber ein Zorn, der in der Kunst verarbeitet wird, und deshalb ist er nicht gefährlich. Deswegen kann dieser Zorn, der in der Kunst verarbeitet ist, auch Türen aufstoßen. Ich glaube schon, dass in einer Zeit, in der Ideale groß sind wie „Man muss sich immer beherrschen“ und „Man muss immer nett und freundlich sein“, dass da ein Stück wie dieses natürlich Verwirrung schafft. Beethoven öffnet uns eine Tür zur Tiefe des Lebens, der Zorn ist hier ein Wesenselement der Lebendigkeit.
Günter Funke
Einzelkarten
17 Euro; Studierende 8 Euro
Kinder und Jugendliche bis 15 Jahre
freier Eintritt (Reservierung erbeten)

Abendkasse ab 16.30 Uhr
Einlass ab 16.30 Uhr

Verkauf & Reservierung
Tourismusbüro Hittisau
T 05513 6209 50 oder
tourismus@hittisau.at

Infos
Frauenmuseum Hittisau
Platz 501, 6952 Hittisau
T 05513 620930
frauenmuseum.at
www.musik-in-der-pforte.at/

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