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Wie ein einstiges Findelkind aus Liechtenstein nach seinen Wurzeln sucht – Wer weiss etwas?

Wie ein einstiges Findelkind aus Liechtenstein nach seinen Wurzeln sucht – Wer weiss etwas?

Böse ist sie auf niemandem, aber sie möchte wissen, woher sie kommt und ob sie irgendwo Familie hat. Und wer kann der heute jungen Frau dies nicht nachfühlen? Marina wurde als Baby in einer Telefonzelle in Nendeln im Fürstentum Liechtenstein ausgesetzt. Seit Jahren sucht sie vergebens nach ihren leiblichen Eltern.

Die Meldung in einer Randspalte der «Bündner Zeitung» vom 4. September 1990 ist ungewöhnlich und klingt nüchtern und kalt: «In einer Telefonkabine des Postamts in Nendeln im Fürstentum Liechtenstein ist am Montagmorgen ein nacktes Neugeborenes entdeckt worden.» Die Polizei habe bereits Ermittlungen nach der Herkunft der Mutter/Eltern eingeleitet.

Aus dem Baby ist inzwischen eine erwachsene Frau geworden. Und seit Jahren ist diese daran, ihre Herkunft zu erfahren. Marina (der Name ist natürlich geändert) weiss einiges mehr zu ihrem Lebensbeginn, aber eben nicht genug, um herauszufinden, wer die leibliche Mutter, der leibliche Vater sind.

Unmittelbar nach der Geburt muss das Baby damals in der Nacht in die Telefonkabine gelegt worden sein. Nachbarn erinnerten sich am folgenden Tag an quietschende Bremsen. Und dass ein Auto schnell wieder davonfuhr. Eine junge Frau, die früh unterwegs war, hörte ein Wimmern und schaute in der Telefonkabine nach. Mit dem gefundenen Säugling, stürmte sofort in die Poststelle. Ein Beamter hüllte das Baby in einen wärmenden Postsack und rief die Ambulanz.

Leicht unterkühlt wurde das Baby ins nächste Spital gefahren, untersucht und anschliessend in einer Pflegefamilie platziert. Die Familie konnte Marina ein Jahr später adoptieren. Seit ihrer frühesten Kindheit weiss sie davon. Ihre Eltern haben ihr erklärt, dass Babys manchmal wie kleine Hunde und Katzen ein neues Zuhause bekommen, wo sie es besser haben. Das leuchtete ihr als Mädchen ein. In ihrer Fantasie malte sie sich aus, dass ihre biologischen Eltern auf einem riesigen Bauernhof lebten.

Mit den Jahren kamen aber immer mehr Fragen auf, die drängender wurden: Wer sind meine biologischen Eltern? Warum haben sie mich ausgesetzt? Habe ich Geschwister? Auf die Suche nach Antworten begab sich Marina mit 18. Sie fuhr mit ihrer Mutter aus der Südostschweiz nach Zürich, um in der Zentralbibliothek nach Zeitungsmeldungen zu suchen. Sie reiste nach Liechtenstein ins Landesarchiv, um ihre Akten einzusehen.

Ein erster Artikel über Marinas Geschichte erschien damals in einer Liechtensteiner Zeitung. 2015 posteten Bekannte für sie einen Aufruf, der mehrere hundert Mal in den sozialen Medien geteilt wurde. Medien berichteten über ihre Geschichte. In der Hoffnung weiterzukommen, erzählte sie der «Südostschweiz» und «20 Minuten» von ihren Nachforschungen. Sie nahm auch das Angebot für einen Gratis-Gentest an. Doch nichts davon brachte sie ans Ziel.

Unerwartete Meldungen

Über die Mailadresse findelkind.nendeln@gmail.com meldeten sich anschliessend teils merkwürdige Leute bei ihr: Hellseher, mögliche Väter, Familenmitglieder und ähnlich. Marina engagierte also einen Anwalt. Die biologischen Eltern hätten jetzt sowieso nichts mehr zu befürchten. Bei Marinas Fall handelt es sich zwar um die Aussetzung eines Hilflosen, was nach Artikel 127 StGB mit einer Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren bestraft werden kann, aber die Tat ist längst verjährt.

Marina suhlt sich nicht in ihrer Geschichte. «Es ist, wie es ist», sagt sie. «Mich davon hinunterziehen zu lassen, bringt nichts.» Sie bezeichnet sich selbst als «bodenständigen Typ», ist unternehmungslustig, bewegt sich gern in der Natur, wandert und bikt. Zu ihren Eltern hat sie ein gutes Verhältnis. Ihre Adoptivmutter zeigt grosses Verständnis dafür, dass Marina ihre Wurzeln kennen möchte: «Das ist ein menschliches Grundrecht.» Sie wünscht ihr viel Erfolg bei der Suche und würde sich darüber freuen, wenn Marina ihre leiblichen Eltern finden und sie in ihr Leben integrieren könnte.

Was würde sich für Marina ändern, würde sie ihre biologischen Eltern kennen? «Ich könnte die Fragen der Ärzte beantworten, ob es Krankheiten in der Familie gibt. Ich wüsste, von wem ich die blauen Augen habe und woher meine Kreativität kommt.» Marina hat keine Angst, etwas zu erfahren, das sie aus der Bahn werfen könnte. Aufgrund von vielen Gesprächen mit Fachleuten hält sie die These für wahrscheinlich, dass ihre leiblichen Eltern wohl jung und finanziell schlecht gestellt waren und sozial wenig Rückhalt hatten. Sie hofft, dass es Mitwisser geben könnte, die nach vielen Jahren ihr Gewissen doch noch erleichtern möchten.

Falsche Hoffnungen macht sich Marina aber nicht. Sie zitiert den Lieblingsspruch ihres Grossvaters: «Alles im Leben kommt anders, als man denkt.» Und Träume haben darf man ja.

Foto: Süss, aber nicht immer zur richtigen Zeit geboren!

Quelle: Migros Magazin

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