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Ab 30-Jährige gehen weg von der Pille, junge Frauen schätzen sie

Ab 30-Jährige gehen weg von der Pille, junge Frauen schätzen sie

Die Antibabypille galt als grosser Emanzipationsschritt für die Frau. Zugelassen wurde sie in den Sechzigerjahren, weitere hormonelle Verhütungsmittel wie die Spirale folgten. Zwar verhüten heute noch immer 65 Prozent der Frauen in der Schweiz mit der Pille, doch es zeichnet sich ein Pillenknick der etwas anderen Art ab. Andrés Uzeda, leitender Oberarzt der Praxis Frauen-Permanence Zürich, sagt: «Frauen ab 30 wenden sich von der Pille ab.» Sie hätten häufig schon jahrelang damit verhütet und nun das Bedürfnis nach einer anderen Verhütungsmethode mit weniger oder gar keinen Hormonen. Im Alltag erlebt er, dass Frauen häufig nach Alternativen fragen, die lokal wirken und die Belastungen für den Körper reduzieren.

Die Entwicklung macht in den USA unter dem Begriff «Pullout»-Generation von sich reden: Frauen, die mittels Coitus interruptus auf natürliche Empfängnisverhütung setzen. Nun zeichnet sich auch in der Schweiz ein Anti-Chemie-Trend ab, wenn auch mit weniger riskanten Methoden. Seit 2008 verschrieben Ärzte kontinuierlich weniger Antibabypillen. Zahlen des Pharmaverbands Interpharma zeigen, dass die verkauften Pillen innerhalb von sieben Jahren von 2,1 auf 1,9 Millionen Packungen zurückgingen. Und der Apothekerverband Pharmasuisse registrierte gar, dass innerhalb eines Jahres 200 000 Pillenpackungen weniger verkauft wurden – trotz steigender Wohnbevölkerung.

Die Gründe dafür sind vielfältig. «Frauen ab 30 sind oft in der Familienplanung und wollen zwischen den Geburten auf Hormone verzichten», sagt Martina Nordin, Gynäkologin am Kantonsspital Baden. Zudem steige bei Raucherinnen ab 35 das Risiko für Thrombosen, und sie würden deshalb die Pille absetzen. Die Schlagzeilen aus dem Jahr 2008, als die damals 16-jährige Céline nach der Einnahme von Yasmin eine Lungenembolie und eine Hirnschädigung erlitt, hätten einen weniger grossen Einfluss gehabt. «Viele Frauen haben nach Jahren einfach genug und sind nicht mehr bereit, täglich ein Medikament einzunehmen.» Vor allem, weil es die sexuelle Lust hemmen könne.

So erstaunt es die Ärzte nicht, dass die Verkäufe von Hormonspiralen, Vaginalringen und Hautpflastern zugenommen haben. «Sie haben weniger Nebenwirkungen und führen daher zu einem geringeren Libidoverlust», sagt Uzeda. Der Frauenarzt geht deshalb davon aus, dass diese Produkte künftig weiter in den Vordergrund rücken werden. Das sieht auch Gynäkologin Nordin so. «Geht es um die Langzeitverhütung, sind die hormonelle Spirale wie auch die Kupferspirale ohne Hormone die beliebtesten Verhütungsmethoden.»

Während Frauen ab 30 sich von der Pille lösen, ist bei den jungen Frauen und Mädchen eine gegenteilige Dynamik auszumachen. «Bei ihnen steigt die Nachfrage nach der klassischen Pille», stellt Uzeda fest. «Auffallend ist auch, dass sie die Pille immer früher nehmen.» Zwar erleben Mädchen nicht früher ihr erstes Mal. Im Gegenteil: Der Anteil der 14- und 15-Jährigen, die bereits sexuell aktiv sind, hat seit 2010 abgenommen. Erst eines von sieben 14-jährigen Mädchen hat heute bereits mit jemandem geschlafen. Doch der Zugang zur Pille hat sich vereinfacht. Ab 14 Jahren erhalten Mädchen ohne Einwilligung der Eltern ein Rezept, sie gelten bereits als urteilsfähig. «Wir klären sie jedoch genau auf und weisen auch darauf hin, dass die Pille nicht vor sexuell übertragbaren Krankheiten schützt», sagt Nordin. Ebenfalls diskutiere sie mit ihnen das Risiko für eine Thrombose. Dieses sei bei allen Pillen in den ersten Monaten nach der Einnahme leicht erhöht. Aus Kostengründen sowie wegen der guten Verträglichkeit empfiehlt Nordin jungen Frauen meist eine Pille der zweiten Generation. Mit rund zehn Franken pro Monat sind diese Präparate am günstigsten.

Fest steht: Die Teenager-Schwangerschaften nehmen seit zwanzig Jahren laufend ab. Doch Annette Bischof-Campbell, Psychologin und Geschäftsleiterin des Vereins Lilli, der sich für Prävention und Online-Beratung junger Frauen einsetzt, sieht Nachholbedarf. «In unserer Beratung fällt mir auf, dass das Wissen über sexuell übertragbare Infektionen oft mangelhaft ist», sagt Bischof-Campbell. Und auch das Bewusstsein darüber, dass es – jenseits von HIV – noch weitere Geschlechtskrankheiten gibt.

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